Campendonk, Adda und Heinrich 1912-Aquarell und Deckfarben
© VGBild-Kunst Bonn
Artikel von Roxana Florina Popa
Das MUSEUM PENZBERG – SAMMLUNG CAMPENDONK eröffnet im Juni 2016 inhaltlich und baulich erweitert neu.
Die weltweit einzigartige Sammlung des Expressionisten Heinrich Campendonk, des jüngsten der Künstler des Blauen Reiter, strahlt in den neuen Museumsräumen weit über Penzberg hinaus. Mit dem prägnanten Neubau als architektonischem Blickfang, ist das sanierte Ensemble ab 4. Juni 2016 der Öffentlichkeit zugänglich.
Mit der Eröffnung des neuen Hauses erhält Penzberg weitere 200 Campendonk-Werke aus verschiedenen Lebensphasen des Künstlers. Bereits 2010 kaufte ein Sammler 87 Arbeiten und übergab sie dem Museum: Ölbilder, Aquarelle und frühe Tuschpinselzeichnungen sowie Graphik. Die bedeutendsten Bilder der Sammlung sind nun in der Eröffnungsausstellung „Campendonk im Blick. Penzberg und sein Blauer Reiter“ zu sehen.
Interview mit Frau Gisela Geiger, Leiterin des Museums Penzberg
Roxana Florina Popa: Wie ist die Campendonk Sammlung entstanden?
Gisela Geiger: Die Penzberger Sammlung ist im Wesentlichen der Nachlaß des Künstlers und kommt aus den Händen der Familie. In zwei Tranchen 2010 und 2016 kam er an das Haus. – Allerdings hat – als der Stadtrat 2010 den geplanten Ankauf ablehnte – die deutsche Unternehmerfamilie Mast das erste Konvolut für 4,1 Mio. € angekauft und dem Museum als Dauerleihgabe zur Verfügung gestellt. Die zweite Tranche ist mit 200 Werken von der Familie Campendonk als Dauerleihgabe zu uns gegeben worden.

RFP: Wie beeinflusst diese beeindruckende Sammlung die Präsenz und die Aufgabe des Museums Penzberg?
GG: Wir haben jetzt einen völligen Neustart der Museumsarbeit, daher auch die Namensänderung in „Museum Penzberg – Sammlung Campendonk“. Wir können jetzt mit der weltweit umfangreichsten Sammlung von Werken Campendonks einen soliden Einblick in Werk und Leben dieses Künstlers geben. Wir wurden in die Gemeinschaft der Expressionismus Museen hier im Süden Münchens aufgenommen (MuSeenLandschaft Expressionismus mit Bernried, Kochel und Murnau) und haben z. B. eine gemeinsame Eintrittskarte.

Um neben den Ausstellungen und die anderen grundsätzlichen Aufgaben eines Museums gegenüber den Leihgaben zu erfüllen, sind wir auch in Konservierung und Forschung aktiv. Einen Schwerpunkt der Sammlung bilden die Hinterglasbilder Campendonk, von denen wir 10 Stück besitzen.
Um deren Erhaltungszustand zu überprüfen haben wir Kontakt zu einer speziellen Hinterglasrestauratorin aufgenommen. Hinterglasbilder sind stark gefährdet, nicht so sehr wegen ihrer Zerbrechlichkeit, sondern wegen der mangelhaften Haftung der Farbe auf dem Glas als Bildträger.
Inzwischen haben wir mit Unterstützung der Ernst von Siemens Kunststiftung annähernd 20 Hinterglasbilder Campendonks wieder festigen und tiefe Einblicke in seine Maltechnik nehmen können. Die interdisziplinären Forschungen waren ein Gemeinschaftsprojekt mit dem Doerner Institut, München und der BAM Bundesanstalt für Materialforschung, Berlin. Im Herbst publizieren wir das Werkverzeichnis der Hinterglasbilder Campendonk im Rahmen einer speziellen Ausstellung dieser Werke. Als Fortsetzung finanziert die VolkswagenStiftung uns ein dreijähriges Forschungsprojekt allgemein zur Hinterglasmalerei als Technik der Klassischen Moderne.

© Manfred Neubauer Foto: Manfred Neubauer
RFP: Was wird am meisten bei den Campendonk Glasfenstern als besonders geschätzt?
GG: Campendonk kehrte 1923 aus Bayern ins Rheinland zurück und interessierte sich dort auch für die angewandte Kunst (er hatte seine Ausbildung an der sehr fortschrittlichen Kunstgewerbeschule in Krefeld bekommen). Er erhielt Aufträge für Wandmalerei und entwarf Bühnenbilder für das Theater. Auch seine Bilder waren ab 1920 farbig durchleuchtete Räume – das typische „mystische Leuchten“. So war es nur konsequent, mit Fenstern aus farbigem Glas eine Lichtregie der Räume zu entwickeln. Darum, und nicht so sehr um Bildprogrammes, ging es in seinem Fensterschaffen. In Deutschland hat er viel zusammen mit dem Architekten Clemens Holzmeister gearbeitet. Für seinen Exilort Amsterdam, die Niederlande entwarf er 1937 ein Triptychon, das auf der Weltausstellung in Paris gezeigt wurde und den Grand Prix gewann (gegen die Konkurrenz von Picassos „Guernica“ und dem Luftfahrtpavillon der Delaunays). Zugleich wurde er in Deutschland in der Ausstellung „Entartete Kunst“ diffamiert.
RFP: Wie ist Penzberg an der Kunstbewegung des Blauen Reiters und an Heinrich Campendonk verbunden?

GG: Bei aller Anerkennung durch die Fachwelt bleibt die Akzeptanz in Penzberg als ehemaliger Arbeiterstadt auch weiterhin ein Problem. Dabei birgt die Verbindung zu diesem Künstler eine riesige Chance der Stadtentwicklung. Campendonk kam 1911 als 21 Jahre alter junger Mann auf Einladung von Franz Marc und Wassily Kandinsky nach Oberbayern und seine Adresse war, obwohl er wie Marc im benachbarten Sindelsdorf wohnte: Oberbayern – Station Penzberg. Es war die Bahnstation des Kohlebergwerks, an der die Post abgeholt werden konnte. Es entstanden in den 11 Jahren, die er hier verbrachte, zahlreiche Bilder mit Penzberger Motiven: Mit den Häusern der Arbeiterkolonie, den großen Schornsteinen des Bergwerks und besonders nach dem Ersten Weltkrieg in sozialkritischer Absicht. Campendonk war ein künstlerischer Zeitzeuge der Bergwerksstadt.
Doch die expressionistische Kunst war weder damals noch heute akzeptabel oder auch nur interessant für die bäuerliche Bevölkerung oder die Arbeiterschaft.

RFP: Wie unterscheiden sich die Werke Campendonks als Stil?
GG: Campendonk schätze ich als einen sehr eigenständigen Künstler, der in der Zeit des Expressionismus studiert hat und in einer wunderbaren Gruppe künstlerisch sozialisiert wurde, den „Blauen Reitern“. Durch den Ausbruch des Ersten Weltkrieges trennten sich die Maler. Kandinsky ging nach Rußland, Marc fiel 1916, Macke bereits 1914.
Campendonk entwickelte sich danach sehr selbständig weiter, vor allem die Graphik (Holzschnitte) waren hierzu ein wichtiges Medium. Ab 1918 die Aquarelle, in denen er seine transparenten Farbräume erstmals für ihn zufriedenstellend entwickelte. Ab 1920 wirken die Bilder oft fast surreal und er ist nicht auf den Expressionismus festgelegt. Nach dem Zweiten Weltkrieg ändert sich sein Stil abermals. Campendonk hat als Künstler niemals einen Stillstand erlebt, sondern seine Arbeit immer weiter vorangetrieben.
Besten Dank an Frau Gisela Geiger und Simone Nickl Public Relations
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Roxana Florina Popa ist Autorin und Selbstverlegerin des Buches “Beauty Elegance Creativity – 12 Interviews on the Act of Creation”